Wer mit dem Zug die Brücke vom italienischen Festland nach Venedig überquert, landet in Cannaregio. Früher als Ghetto Venedigs verachtet, ist das Stadtviertel heute beliebter Szenebezirk – und trotzdem vom Massentourismus weitgehend verschont geblieben. Ruhig bleiben heißt die Devise. Bei den Hotels in Cannaregio geht es gemütlich zu. Handwerker gehen am Tag ihrer Arbeit nach, abends trifft man sich in charmanten Bars und einladenden, kleinen Lokalen an den zahllosen Kais.
Kleine Kanäle teilen Cannaregio in 33 Inselchen auf – so viele wie kein anderer Stadtteil in Venedig. Hier leben, arbeiten und feiern die Ur-Venezianer seit Generation. Auf den Inseln stehen Handwerkerbetriebe neben museumsreifen Wohnhäusern. Vor allem entlang der etwas breiteren Kanäle Rio della Misericordia und Rio della Sensa reihen sich kleine Trattorien an Restaurants, gemütliche Bars und die Hotels von Cannaregio. Davor schwanken die am Kai befestigten Motorboote im Wasser. An Sommerabenden tritt der Charme des Stadtviertels besonders deutlich zutage, dann findet das bunte Leben von Cannaregio am Kanal statt: Vor den Restaurants sitzen kleine Grüppchen an Tischen neben den Kanälen. Pärchen haben es sich auf den Booten bequem gemacht und wieder andere sitzen mit über dem Wasser baumelnden Beinen auf den befestigten Kaimauern.
Das erste jüdische Ghetto Europas liegt in Venedig. Bis zu 5.000 Menschen lebten hier auf einer kleinen Insel, die vom Rio del Ghetto umarmt wird. Die Architektur ist ungewöhnlich für venezianische Verhältnisse: ein großer Platz, umringt von gelben, roten und orangefarbenen Häusern, teilweise bis zu acht Stockwerke hoch. Die Fassaden sind schlicht, vor allem, wenn man sie mit den Palazzi am Canal Grande vergleicht. Das jüdische Museum bietet auch Führungen durch die drei Synagogen an, das geschichtsträchtige Ghetto lässt sich nur schwer auf eigene Faust erkunden. Zu versteckt liegen die bedeutenden Sehenswürdigkeiten: Die Synagoge Scola Canton – ein 500 Jahre altes Gotteshaus – wirkt von außen wie ein kleiner Bretterverschlag. Dafür zeigen sich in ihrem Inneren goldgeschmückten Schnitzereien und prunkvolle Kronleuchter.